Der Generationswechsel ist bestimmt die größte Herausforderung, der ein Unternehmer gegenübersteht. Seine ganze Karriere lang schlummert das Thema im Hinterkopf und ab einem gewissen Alter, das jeder für sich selbst bestimmt, gibt es wohl kein Thema, das den Unternehmer mehr beschäftigt, als das seiner Nachfolge.
Der Schlüssel für eine erfolgreiche Nachfolge ist die Bereitschaft des Übergebenden, sich von seinem Lebenswerk zu trennen, um geordnet übergeben zu können. Gerade Familienunternehmer haben zu ihrer Firma eine ganz besondere Beziehung. Wer sein Unternehmen an einen Nachfolger übergibt, sei es innerfamiliär oder durch einen Firmenverkauf oder an einen Fremdmanager, wagt einen mutigen Schritt in eine noch unbekannte Zukunft. (vgl. Nils Koerber, Unternehmensnachfolge, Die Kunst des Loslassens)
Übergeben bedeutet Loslassen und sein Vermächtnis in die Hand der Nachfolgegeneration zu legen. Mangelndes Loslassen ist aber die Hauptursache dafür, dass der Generationswechsel scheitert. Deutschen Zahlen zufolge scheitern in der ersten Generation sieben von zehn Übergaben. Und selten scheitern sie an finanziellen oder rechtlichen Ausgestaltungen von Verträgen, sondern meistens an menschlichen Faktoren. Doch bei der Übergabe wird in erster Linie auf die Zukunft des Unternehmens geschaut und jene des Unternehmers hintangestellt. Ein Kardinalfehler.
Warum Loslassen so schwerfällt?
Das Leben eines Familienunternehmers ist geprägt von seiner Rolle als Unternehmer und dem Betrieb. Die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit verschwimmen. Das Unternehmersein hat eine Identität geschaffen – egal, ob es von Erfolgen oder Misserfolgen geprägt war. Kurzum, das Familienunternehmen steht und fällt mit der Person des Unternehmers, es gibt seinem Leben Sinn und Erfüllung.
Das Unternehmen loszulassen ist vergleichbar damit, einen geliebten Menschen loszulassen und ist mit Emotionen verbunden, die einem Trauerprozess ähnlich sind.
Doch gleichzeitig ist es ein Wechselbad der Gefühle, denn dem „Verlust“ folgt das Sich-Neuerfinden und die Freude, den Nachwuchs in der Rolle des Unternehmers zu beobachten. Ist dieser auch bereit, Verantwortung und Kontrolle zu übernehmen, ist es für den Übergeber wesentlich leichter, loszulassen. Er kommt in einen neuen Lebenszyklus, in dem der innere Friede, der Rückzug in sich selbst und die eigene Weisheit eine immer größere Rolle spielen.
Loslassen zu können setzt ein gehöriges Maß an Selbstreflexion voraus: Was glaube ich zu verlieren? Welches Gefühl kommt als erstes? Der Verlust von Macht, Anerkennung, Zugehörigkeit oder Identität? Wer bin ich ohne mein Unternehmen? Welchen Sinn wird mein Leben nun haben? Kann überhaupt jemand das Unternehmen so gut führen wie ich?
Zuletzt ist der Generationswechsel auch eine Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit. Das schmerzt – allein der Gedanke daran.
Die Nachfolger sind nicht schlecht beraten, ihre Vorgänger im Übergabeprozess nicht nur zu unterstützen, sondern auch ihre unternehmerischen Leistungen zu honorieren und ihre Unternehmenswerte anzuerkennen auch bisweilen auch weiterzutragen.(vgl. Nils Koerber, Unternehmensnachfolge, Die Kunst des Loslassens)
Was kommt danach?
Eine erfolgreiche Übergabe und eine glückliche Zeit nach dem Unternehmertum setzt voraus, dass man sich mit der Zeit danach beschäftigt und nie waren die Möglichkeiten dafür größer als heutzutage.
Loslassen gibt Raum für Neues. Das Gute ist, dass der Unternehmer nie bei null beginnen muss und alles, was er für seine neue Lebensphase braucht, bereits in sich hat und aus seiner jahrzehntelangen Arbeit ableiten kann: An eine positive Zukunft glauben. Die Lust, Neues zu gestalten. Ins Risiko zu gehen.
Er hat endlich Zeit für seine Enkelkinder, fürs Reisen, seine Netzwerke und Freundschaften zu pflegen, sich für die Gesellschaft zu engagieren, oder Dinge zu tun, die er immer schon tun wollte, wofür ihm aber immer die Zeit fehlte. Kurzum, neue Lebensperspektiven zu schaffen, die Sinn haben und ihm Sinn und Erfüllung geben. Was folgen könnte, wäre ein Leben, in dem der große Erfahrungsschatz, den sich jeder dieser Unternehmer erarbeitet hat, zum Wohle der Gesellschaft und zur eigenen Erfüllung auf neue Art und weise eingesetzt werden könnte.
Was habe ich versäumt und würden gerne nachholen? Wofür war niemals Zeit? Was mache ich wirklich gerne? Was gibt mir Sinn? Worin bin ich richtig gut? Was braucht die Welt, wobei ich einen Beitrag leisten könnte? All diese Fragen brauchen Zeit zur Beantwortung und zur Reflexion.
Aus der Glücksforschung wissen wir, dass Glücklichsein selten mit materiellen Dingen zu tun hat. Wohlstand, gesellschaftlicher Status, Intelligenz oder Alter entscheiden nicht maßgeblich über unser Glück. Idealerweise ist das beim Unternehmer aber ohnehin kein Thema, da er sich einen finanziellen Stock geschaffen hat, der ihm ein angenehmes Leben für diesen neuen Lebenszyklus ermöglicht.
Größeren Einfluss auf unser Glück hat laut Glücksforschung aber, wie gut wir in der Lage sind, uns an sich verändernde Lebensbedingungen anzupassen und wie gut wir es schaffen, unsere eigenen Stärken ausleben zu können. Und am glücklichsten sind wir, wenn wir funktionierende soziale Beziehungen haben – Familie und Freunde, die mit einem gemeinsam durchs Leben gehen und mit denen man Freud und Leid teilen kann.
Auch Altruismus macht glücklich: sich um andere Menschen zu kümmern, das Wohlergehen anderer hochzuschätzen, sich sozial zu engagieren oder auch anderen Menschen etwas beizubringen. Kurzum, etwas tun, bei dem man seine eigenen Stärken ausleben kann und das einem Sinn und Erfüllung gibt.
Der Generationswechsel ist die wichtigste unternehmerische Herausforderung. Machen Sie ihren Generationswechsel zu ihrem Meisterstück! Loslassen sichert Werte, Nichtstun zerstört sie!
Ich komme selbst aus einem Familienunternehmen, das seit 1755 von einer Generation an die nächste übergeben wird. In unserem Betrieb hat der Generationswechsel von meinen Eltern auf mich und meine drei Geschwister bereits erfolgreich stattgefunden. Ein Prozess, der sich über viele Jahre gezogen hat. Als Autorin schreibe ich seit 2012 Bücher für Familienunternehmen und bekomme tiefe Einblicke in Familien und ihre Betriebe. Ich habe an der Coaching Akademie Berlin die Ausbildung zum systemischen Personal- und Businesscoach absolviert und mich dabei Lösungsansätzen beim Generationswechsel und der Nachfolge gewidmet. Seitdem bin ich als Sparringpartner für Familienunternehmer und systemischer Coach tätig.
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