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Ist der Nachwuchs überhaupt geeignet?

Aktualisiert: 21. Apr. 2023

Eine Frage, die jeden Familienunternehmer beschäftigt ist, ob der Nachwuchs überhaupt geeignet ist, in die eigenen Fußstapfen zu treten. Die Antwort darauf ist vielschichtig. Deshalb habe ich mich für diesen Blog mit zwei renommierten Executive Headhunters und, wie immer, mit Familienunternehmern unterhalten, die sich seit Jahrzehnten damit beschäftigen.





Eine Schlüsselfrage beim Generationswechsel ist, wer beziehungsweise ob der eigene Nachwuchs als potenzieller Geschäftsführer überhaupt in Frage kommt.

Wie in fast allen Fragen der Unternehmensnachfolge, gibt es darauf keine eindeutige Antwort. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass der Nachwuchs wollen und können muss. Zudem hat Unternehmensführung sehr viel mit der eigenen Persönlichkeit zu tun. Respekt, Demut vor der Aufgabe, Bescheidenheit, Teamfähigkeit und Strategiefähigkeit sind dafür unerlässlich. Das zu erkennen, liegt in der Verantwortung der Eltern. Aber was bedeutet das konkret?


Zunächst zum Können.

Voraussetzung ist in natürlich als wichtigster Punkt, wie bei jeder anderen Besetzung die fachliche Qualifikation des Nachwuchses, die passende Ausbildung fürs Unternehmen also. Neben dieser kommt dann die Leadershipkompetenz der jungen Herren und Damen.

Wörtlich übersetzt bedeutet Leadership Führung – doch sollte ein Leader nicht mit einer Führungskraft gleichgesetzt werden. Leadership ist die praktische Fähigkeit, Menschen, Teams oder Organisationen zu leiten, dabei andere Personen zu begeistern und von einem gemeinsamen Ziel zu überzeugen. Es geht nicht nur um eine klassische Richtungsvorgabe, sondern um ein Zusammenspiel aus Charaktereigenschaften, situativem Verhalten und Charisma, das der Leader seinen Mitarbeitern vermittelt. Es geht aber auch darum, Mitarbeiter zu inspirieren, Zukunftsvisionen entgegen möglicher Widerstände zu verfolgen und die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Weniger geht es um das Erreichen von Jahreszielen, sondern um positiv besetzte Visionen, die über rein finanzielle Aspekte hinaus Bestand haben.


Ob der Nachwuchs über Leadershipfähigkeiten verfügt, stellt sich schon in der Jugend heraus. Ist dem so, hat er diese Fähigkeiten auch schon mit 20 Jahren oder früher und Eltern können diese auch früh beobachten: es sind Kinder, die von anderen gerne um ihren Rat gefragt werden, die im Mannschaftssport oder der in der Schulklasse den Takt vorgeben und denen andere gerne folgen. Kinder, die sich schon in der Jugend beispielsweise bei den Pfadfindern, der Freiwilligen Feuerwehr oder den Ministranten engagieren. Kurzum, Menschen, die über ein ausgeprägtes Maß an Sozialkompetenz verfügen und andere miteinzubinden vermögen. Das kann man als Elternteil natürlich in der Kindheit fördern.


Außerdem braucht es zum Unternehmertum eine kommunikationsstarke Persönlichkeit. Doch mit Rhetorik allein ist es auch nicht getan: Die vorgetragenen Visionen müssen auch mit Werten und Überzeugungen gefüllt und durch das eigene Handeln vorgelebt werden.


Stellt sich hingegen heraus, dass der Nachwuchs schon als Jugendlicher diktatorisch ist, ein Einzelgänger und andere nicht von seinen Ideen überzeugen kann, wird das wahrscheinlich auch später im Unternehmen nicht gut gehen, denn letztendlich können solche Charaktere andere nicht mitnehmen. Eine erfolgreiche Nachfolge braucht vor allem eines, einen unternehmerische Vision. Geerbtes oder Erworbenes bloß zu verwalten reicht nicht aus. Eltern haben aber eine gute Sensorik dafür, ob ihre Kinder der großen Aufgabe der Unternehmensnachfolge gewachsen sind.


Später im Leben kommen zur Leadership Erfahrung, der Umgang im Team und jener mit Niederlagen und Erfolgen hinzu. Lernen kann man Leadership nur bedingt, auch wenn es unzählige Seminare gibt, die das anbieten. Jeder kennt wahrscheinlich Personen, die nach einem Rhetorikseminar zwar einwandfreie Reden halten, aber dabei völlig unauthentisch wirken. Man kann mit solchen Seminaren zwar viel wettmachen, aber nicht alles. Unternehmertum ist eben keine Schauspielerei.

Sehr wohl lernen kann man hingegen das Vorgeben von und führen nach Zielen, das Vorgeben und Entwickeln von Strategien und Teamfähigkeit. Wahrscheinlich ist aber auch das eine gewisse Begabung, die später eben gefördert werden kann.


Sich im eigenen Familienbetrieb unter seinen Eltern, Onkeln oder Tanten zu entwickeln ist eine Mammutaufgabe. Es gehört also geradezu zur Verpflichtung der Eltern, ihren Nachwuchs Wanderjahre zu ermöglichen, in denen sie sich in anderen Betrieben oder im Rahmen einer Zusatzausbildung entfalten und entwickeln können ­– bevorzugt im Ausland. Was für die Suche nach Arbeitskräften gelten soll, gilt also erst recht für den künftigen Chef und die künftige Chefin: ein Auslandssemester ist längst keine Zusatzqualifikation mehr, sondern ein Qualifikationserfordernis.

Beim Abstoßen der Hörner in anderen Betrieben wird der Nachwuchs nicht nur getestet, die Eltern erhalten auch ein valides Feedback für ihre eigenen Entscheidungen.


Nun zum Wollen.

Erkenne ich als Elternteil, dass mein Kind nicht für das Unternehmen, nicht für die erste Reihe geeignet ist oder überhaupt kein Interesse daran zeigt, darf man es unter keinen Umständen überfordern. Egal, wie gerne der Übergeber seinen Nachwuchs in seinen eigenen Fußstapfen sehen will. Der Nachwuchs wird nur unglücklich und das schadet dem Unternehmen und dem Familienverband gleichermaßen. Nicht jeder ist dafür geeignet, „Nummer Eins“ zu sein. Es gibt aber viele Kinder, die lieber in der zweiten Reihe sind und dort eine ausgezeichnete Expertise abgeben und einen tollen Platz in ihrem Leben finden. Alternativ kann ein Nachkomme, der zwar am Unternehmen beteiligt ist, operativ aber nicht tätig, auch gleich in ein Aufsichtsgremium wechseln und dort einen wertvollen Beitrag für das Unternehmen und die Familie leisten. Auch zu erkennen, dass der eigene Nachwuchs nicht will oder nicht kann obliegt den Eltern. Die Erwartungshaltung an die Kinder nicht zu hoch zu halten ist eine große Verantwortung. Egal, ob ein Familienunternehmen im Hintergrund steht oder nicht.


Manche Unternehmer lassen ihre Kinder deshalb von externen Personalberatern evaluieren. Der Nachwuchs durchläuft ein Assessment, Persönlichkeitstest, Talentprogramme etc. wie ein externer Bewerber. Das kann richtig sein, soll aber kein Feigenblatt für die Eltern sein und ist definitiv nicht die Lösung, einen Nachfolger zu formen. Jedenfalls ist eine externe Evaluierung aber dafür geeignet, dass der Nachwuchs seine Stärken und Schwächen kennenlernt und gezielt daran arbeiten kann.

Aus der jahrzehntelangen Erfahrung der Headhunters zeigt sich jedenfalls, dass sich durchschnittlich 30 bis 40 Prozent für die Rolle des Nachfolgers eignen, 30 bis 40 Prozent einen ganz anderen Weg einschlagen und der Rest die Möglichkeit hat, sich als Unternehmer noch zu entwickeln oder eben nicht.

Es gibt Dinge, die kann mann lernen. Ein Unternehmen wird in der Regel aber nur einmal im Leben vererbt oder verkauft. Je intensiver sich der Unternehmer damit auseinandersetzt, desto erfolgreicher verläuft der Prozess.


Ich komme selbst aus einem Familienunternehmen, das seit 1755 von einer Generation an die nächste übergeben wird. In unserem Betrieb hat der Generationswechsel von meinen Eltern auf mich und meine drei Geschwister bereits erfolgreich stattgefunden. Ein Prozess, der sich über viele Jahre gezogen hat. Als Autorin schreibe ich seit 2012 Bücher für Familienunternehmen und bekomme tiefe Einblicke in Familien und ihre Betriebe. Zudem habe ich an der Coaching Akademie Berlin die Ausbildung zum systemischen Personal- und Businesscoach absolviert und mich dabei Lösungsansätzen beim Generationswechsel und der Nachfolge gewidmet. Seit dem unterstütze ich Familienunternehmer als Sparringpartner und systemischer Coach.








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